Wie der Klimawandel die natürlichen Eiszeit-Zyklen durchbricht
Vor 20.000 Jahren reichten Gletscher bis vor die Tore Berlins. Diese dramatische Veränderung der Erdoberfläche war Teil natürlicher Klimazyklen, die heute durch menschliche Eingriffe fundamental gestört werden.
Wenn Rentiere durch England wanderten
Während der letzten Eiszeit herrschte in Deutschland bereits ab Oktober meist Dauerfrost. Ganz Skandinavien und große Teile der Britischen Inseln lagen unter kilometerdickem Gletschereis begraben. Wo heute reger Fährverkehr zwischen Frankreich und England herrscht, grasten noch vor 12.000 Jahren friedlich Rentier- und Pferdeherden.
Die riesigen Eismassen banden so viel Wasser, dass der Meeresspiegel etwa 120 Meter tiefer lag als heute. Eine Landbrücke verband die Britischen Inseln mit dem Kontinent. Die globale Durchschnittstemperatur lag fünf Grad unter dem heutigen Wert. In Hamburg betrug die Januartemperatur durchschnittlich minus 20 Grad, heute sind es null Grad.
Milankovitch entschlüsselt die Eiszeit-Rätsel
Wie können innerhalb weniger Jahrtausende solch gravierende Klimaschwankungen auftreten? Diese Frage beschäftigte den serbischen Mathematiker Milutin Milankovitch (1879-1958). Während seiner Internierung in Budapest 1914 entwickelte er in der Bibliothek der Ungarischen Akademie der Wissenschaften seine revolutionäre Theorie.
Milankovitch erkannte, dass drei astronomische Faktoren die Eiszeiten steuern: Die Erde beschreibt keine perfekte Kreisbahn um die Sonne, sondern eine schwache Ellipse, deren Form alle 100.000 Jahre schwankt. Die Neigung der Erdachse verändert sich alle 41.000 Jahre, wodurch Jahreszeiten verstärkt oder abgeschwächt werden. Zusätzlich torkelt die Erdachse in einer 26.000-jährigen Kreiselbewegung durch den Weltraum.
Klimawandel bricht natürliche Zyklen
Nach der Milankovitch-Theorie sollte die nächste Eiszeit in 40 bis 55.000 Jahren beginnen. Doch der menschengemachte Treibhauseffekt wird diesen Termin vermutlich nach hinten verschieben. Manche Wissenschaftler gehen sogar davon aus, dass die nächste Eiszeit komplett ausfallen könnte.
Diese Erkenntnis verdeutlicht das Ausmaß menschlicher Eingriffe in das Klimasystem. Während natürliche Prozesse über Jahrmillionen wirkten, verändert die Menschheit das Klima binnen weniger Jahrhunderte so nachhaltig, dass selbst fundamentale astronomische Zyklen durchbrochen werden.
Die Forschung zu den Milankovitch-Zyklen zeigt nicht nur, wie Eiszeiten entstehen, sondern auch, welche Verantwortung der Menschheit beim Klimaschutz zukommt. Die natürlichen Klimaschwankungen der Erdgeschichte werden zur Referenz für das beispiellose Tempo des aktuellen Klimawandels.